Abnormaler Kammerwinkel = ICAA (ehem. Goniodysplasie)
Einleitung
Zur Gesunderhaltung des Auges gehört unter anderem auch ein normaler Augendruck, welcher eine stabile Form des Augapfels garantiert. Zu diesem Zweck wird im so genannten Strahlenkörper fortwährend Kammerwasser produziert, welches durch die Pupille in die vordere Augenkammer hinter der Hornhaut fliesst. Diese Flüssigkeit verlässt das Auge im Kammerwinkel, der durch die Hornhaut und die Iris gebildet wird. Die Struktur dieses Kammerwinkels ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Mensch und Tier. Der Kammerwinkel wird von feinen Gewebebälkchen überspannt, dem sogenannten Ligamentum pectinatum. Zwischen diesen Gewebebälkchen hindurch fliesst das Kammerwasser in die Ziliarkluft und gelangt von da zurück in die Blutbahn. Der normale Augendruck verlangt nach einer kontinuierlichen Produktion und einem regelmässigen Abfluss des Kammerwassers.
Schematischer Querschnitt durchs Auge:
Das Kammerwasser wird im Ziliarkörper (1) produziert,
fliesst von der hinteren Augenkammer (2),
durch die Pupille (3)
in die vordere Augenkammer (4)
und verlässt das Auge über den Kammerwinkel zwischen Hornhaut und Irisbasis.
Bei mehreren Hunderassen sind erbliche progressive abnormale Veränderungen des Kammerwinkels bekannt, welche im Laufe des Lebens zu einem Glaukom in einem oder beiden Augen (und häufig zur Erblindung) führen kann.
Wie erkennt man eine Abnormalität des Kammerwinkels ?
Der Kammerwinkel ist von aussen nicht einsehbar. Selbst mit einer Spaltlampe ist dieser Teil des Auges nicht einzusehen. Nur mit einem direkt aufs Auge aufgelegten Kontaktglas kann der Kammerwinkel untersucht werden. Diese Untersuchung nennt man Gonioskopie. Dabei wird neben der Öffnung des Kammerwinkels auch die Struktur und Beschaffenheit der Gewebebälkchen (Ligamentum pectinatum) untersucht. Im Normalfall ist der Kammerwinkel weit geöffnet und die Gewebebälkchen sind ganz dünn und stehen relativ weit auseinander. Eine milde Form der Goniodysplasie äussert sich durch verdickte Gewebebälkchen, welche nahe beisammen stehen. Man spricht dann von Fibrae latae (Lateinisch: Breite Fasern). Eine ausgeprägtere Form der Abnormalität des Kammerwinkels äussert sich durch Abschnitte des Kammerwinkels, in denen keine Gewebebälkchen mehr zu erkenne sind, sondern der Kammerwinkel von einem durchgehenden Gewebeband überspannt wird, worin einzelne kleine Löcher zu erkennen sind. Man spricht von Laminae (Lateinisch: Platte, Scheibe). In schlimmen Fällen ist der Kammerwinkel sehr eng und durchgehend von Gewebebändern durchzogen. Man spricht in diesem
Fall von Occlusio (Lateinisch: Verschluss)
normaler Kammerwinkel
abnormaler Kammerwinkel
normaler Kammerwinkel abnormaler Kammerwinkel
Wie wird die Kammerwinkelabnormalität vererbt?
Bei den meisten betroffenen Rassen ist der genaue Erbgang unbekannt, ob schon die Erblichkeit als sicher gilt. Es ist auch anzunehmen, dass bei einer komplexen Struktur wie dem Kammerwinkel auch ein komplexer Vererbungsmodus vorliegt. Bei einzelnen Hunderassen wurde die zugrunde liegende Mutation gefunden und ein Gen-Test entwickelt.
Folgen
Man kann davon ausgehen, dass die überwiegende Mehrzahl der Hunde mit einer Form der Kammerwinkelabnormalität keine Probleme haben werden. Eine Minderheit betroffener Hunde erleidet aber ein so genanntes Glaukom, auch grüner Star genannt. Dabei kommt der Abfluss des Kammerwassers zum Erliegen und der Augendruck steigt an. Der erhöhte Augendruck schädigt relativ rasch die Nervenzellen der Netzhaut und den Sehnerv, so dass betroffene Hunde rasch erblinden. Leider lässt sich aufgrund der Gonioskopie (siehe oben) nicht voraussagen, welche der betroffenen Hunde später auch tatsächlich in einem oder beiden Augen ein Glaukom entwickeln werden. Das Glaukom ist v. a. im akuten Stadium sehr schmerzhaft und führt bei hohem Druck rasch zur Erblindung. Mit der Zeit wird das Auge deutlich grösser.
Glaukom mit blindem vergrössertem Auge
Springer Spaniel mit Glaukom: vergrössertes (blindes) Auge
Therapie
Selbst bei rascher Diagnose und Therapie bleiben die meisten Hunde blind oder erblinden trotz Behandlung zu einem späteren Zeitpunkt, da es sich um einen progressiven Widerstand im Abflussbereich des Kammerwassers handelt. Mit verschiedenen Medikamenten wird versucht, den Augendruck zu senken. Auch mit unterschiedlichen chirurgischen Verfahren wird versucht, die Kammerwasserproduktion zu reduzieren, bzw. den –abfluss zu verbessern. Leider sind die Resultate dieser Therapieansätze langfristig eher vorsichtig bis schlecht.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass bei prädisponierten Hunderassen eine Gonioskopie alle 3 Jahre durchgeführt wird.