PRA (Progressive Retina Atrophie)

 

Einleitung PRA

Die Retina (oder Netzhaut) ist mit ihren zahlreichen Fotorezeptoren (= Lichtrezeptoren) und den unterschiedlichen nachgeschalteten hoch-spezialisierten Nervenzellen für das Sehvermögen unentbehrlich. Die Fotorezeptoren sind für das Sehvermögen essentiell: die Stäbchen sind für das Sehen in der Dämmerung bzw. in der Nacht und die Zapfen für das Farb- und Kontrastsehen bei Tageslicht verantwortlich. Bei Funktionsverlust der Fotorezeptoren kommt es folglich zum Verlust des Sehvermögens bzw. zur Erblindung.

Fokale Schäden an der Netzhaut (z.B. Narben, fokale Dysplasien) haben, je nach Lokalisation, eine klinisch geringere oder grössere Bedeutung, führen jedoch kaum zur Erblindung. Eine diffuse und die gesamte Netzhaut betreffende Erkrankung bedeutet unweigerlich eine massive Sehbehinderung oder Erblindung. Die erbliche PRA ist eine progressive (jedoch meistens langsam) verlaufende Erkrankung der gesamten Netzhaut. Sie beginnt beim juvenilen Hund mit dem Funktionsverlust der Stäbchen für das Dämmerungssehen, sodass zu Beginn nur eine Orientierungsschwierigkeit bei schlechten Lichtverhältnissen auffällt. Mit der Zeit kommt es auch zu einem Funktionsverlust der Zapfen für das Sehen bei Tageslicht, sodass die betroffenen Tiere zunehmend auch bei guten Lichtverhältnissen immer weniger sehen und erblinden. Dieser Prozess beginnt meistens im 1. Lebensjahr. Zu Beginn sind dies jedoch nur elektrophysiologische und elektronenmikroskopische Veränderungen, betroffene Tiere verhalten sich vorerst unauffällig, und die Netzhaut sieht optisch „normal“ aus. Bei einigen Hunderassen verläuft die PRA etwas rascher, und man kann bereits bei einem 2-3jährigen Hund sowohl klinisch als auch an der Netzhaut erste Veränderungen erkennen. Bei anderen Hunderassen verläuft die PRA langsamer, und klinische und optische Veränderungen der Netzhaut sind erst später (4.-5. Lebensjahr) erkennbar.

Was ist PRA?

Die progressive Retinaatrophie (PRA) ist ein Überbegriff für eine Gruppe erblicher Netzhauterkrankungen, die auf degenerativen oder dysplastischen (unterentwickelten) Veränderungen der lichtempfindlichen Fotorezeptoren (Stäbchen, Zapfen) in der Netzhaut basieren.

Als Ursache sind unterschiedliche Gendefekte (Mutationen) bekannt, die zu unterschiedlichen Störungen auf zellulärer und molekularer Ebene in der Netzhaut führen. Dementsprechend hat man „Unterbezeichnungen“ (z. B. prcd, rcd1, rcd2, rcd3, crd1, crd2, XL PRA) für die einzelnen PRA-Formen eingeführt.

Das Endresultat ist jedoch bei fast allen PRA-Formen gleich: totale Atrophie der Netzhaut. Im Verlauf der PRA wird die gesamte Netzhaut dünner (man spricht von Atrophie) und bei der Untersuchung des Augenhintergrundes bzw. der Netzhaut erkennt man eine Atrophie der Netzhautgefässe, ein verstärktes „Leuchten“ des Tapetum Lucidum (welches direkt unterhalb der zunehmend dünner werdenden Netzhaut liegt und somit einfallendes Licht verstärkt reflektiert), schollenartige Pigmentverschiebungen im Bereich des nicht-tapetalen Fundus und schlussendlich auch eine Atrophie des Sehnervenkopfes.

Die PRA tritt in beiden Augen symmetrisch auf. PRA beim Hund ist vergleichbar mit der erblichen Retinitis pigmentosa des Menschen.

 
normale Netzhaut eines Hundes
Netzhaut eines Hundes mit fortgeschrittener PRA

Wie erkenne ich PRA?

Im klinischen Frühstadium (bei vielen Hunderassen frühestens mit dem 2.-3. Lebensjahr) zeigen betroffene Tiere Orientierungsschwierigkeiten oder vorsichtige

  • Bewegung nur bei schlechten Lichtverhältnissen, wie Dämmerung oder in weniger gut beleuchteten Räumen, wie z.B. im Keller, Garage, Stiegenaufgang. Im fortgeschrittenen Stadium (5.-8. Lebensjahr) haben betroffene Tiere auch zunehmend Sehprobleme bei Tageslicht. Meistens zeigen betroffene Tiere relativ grosse Pupillen, die selbst bei hellem Licht nicht wesentlich kleiner werden.
    Gerade zu Beginn der PRA sind die Veränderungen der Netzhaut oftmals kaum sichtbar, und eine eindeutige Diagnose ist eventuell schwierig zu stellen. In diesen Fällen ist ein Elektroretinogramm sinnvoll. Beim Elektroretinogramm wird die Summenaktivität aller Fotorezeptoren aufgezeichnet. Alternativ oder ergänzend kann (bei zahlreichen Hunderassen) ein Gentest durchgeführt werden.

  • Vererbung der PRA
    Die PRA ist bei den betroffenen Hunderassen erblich. Die meisten PRA-Formen werden autosomal rezessiv vererbt; einige wenige Formen sind an das X-Chromosom (geschlechts-) gebunden oder dominant vererbt. Je nach zugrundeliegendem genetischem Defekt (rassespezifisch), kommt es zu einer früheren oder späteren klinischen Veränderung der Netzhaut und Verlust des Sehvermögens.

  • Folgen der PRA
    Die Folge der PRA ist die Erblindung, da der progressive Verlust aller Fotorezeptoren derzeit noch nicht gestoppt werden kann. Aufgrund des sehr langsamen Verlaufes können sich die meisten Tiere so gut mittels ihrer anderen Sinne (Geruchsinn, Tastsinn, das Gehör) zurechtfinden, sodass vielen Tierbesitzern gar nicht auffällt, wenn ihr Tier vollends erblindet ist. Vor allem in der gewohnten Umgebung können sich blinde Tiere meistens mühelos orientieren, wohingegen sie sich in fremder Umgebung zögerlich bewegen und auch an Gegenständen anstossen.

  • Therapieformen
    Derzeit gibt es keine wissenschaftlich erwiesene Therapie, die den Fortschritt der PRA aufhalten kann. Forschungsgruppen befassen sich mit der Suche nach therapeutischen Möglichkeiten wie z. B. Gentherapie, Netzhauttransplantationen und dem Einsatz von bestimmten Zellfaktoren. Da man bisher noch keine geeignete Therapie gefunden hat, ist es daher sehr wichtig, die Vererbung der PRA zu unterbinden.

Gentests

Wie bereits vorgängig erwähnt, gibt es bis heute keine erfolgreiche Therapiemöglichkeit, die eine Erblindung verhindern kann. Daher ist es unumgänglich, mittels Gentests Tiere zu identifizieren, die „Träger“ einer zur PRA führenden Genmutation sind. Als „Träger“ bezeichnet man Tiere, die 1 gesundes und 1 mutiertes Gen besitzen (heterozygot), und im Falle eines rezessiven Erbganges, selber nicht erkranken. Werden zwei „Mutations-Träger“ verpaart, so können einzelne Nachkommen von beiden „Träger“-Eltern jeweils das mutierte Gen erhalten (sind homozygot für die Mutation) und werden im Lauf des Lebens erblinden.